Sonntag, 26. Oktober 2008
L.I.E. - Long Island Expressway (USA 2001)
Die titelgebende Autobahn, die den sterilen middle-class suburb Long Island mit dem Rest der Welt verbindet, steht auch als Metapher für die Initiation des heranwachsenden Howie in die verwirrende Welt der Erwachsenen und der Sexualität.
Nach dem Tod der Mutter ist Howies Dad hauptsächlich damit beschäftigt, sich an seiner neuen Freundin auszutoben. Der sensible 15-jährige bleibt sich selbst überlassen. Er schließt sich einer Gang an, die aus Langeweile in Vorstadthäuser einbricht. Anführer ist der selbstbewusste Narziss Gary, ein tätowiertes und gepierctes white trash kid mit Engelsgesicht und diabolischem Sexappeal – und zugleich bevorzugtes Objekt Howies erotischer Fantasie. Niemand aus der Klicke ahnt, dass Gary seinen jungen Körper auf dem Autostrich vermarktet.
Bei einem ihrer nächtlichen Streifzüge lassen die Kids Waffen aus dem Haus eines Ex-Marines mitgehen – nicht ohne Folgen. Der im Ort geachtete Vietnamveteran Big John ist den Jungen schnell auf der Spur. Als Gary dann mit einer der Pistolen Richtung Kalifornien verschwindet, wird Howie für den Diebstahl zur Verantwortung gezogen. “Was kannst Du mir geben, was 1000 Dollar wert ist?”, fordert Big John als Wiedergutmachung. Als Howies Vater wenig später wegen zwielichtiger Geschäfte verhaftet wird, nimmt die Beziehung zwischen dem pädophilen 60-jährigen und dem sich seiner Sexualität bewusst werdenden Teen unerwartet enge Züge an...
Das Thema Pädophilie, erst recht die Tatsache, dass der Knabenliebhaber nicht als Horrorfigur gezeichnet ist, war zuviel für Amerikas Moralhüter: Michael Cuestas Debüt bekam das NC-17 rating (ab 17 Jahren freigegeben) – der Todesstoß für den Film, der dadurch in vielen Kinos gar nicht erst gezeigt wurde! Dabei geht das Erstlingswerk erstaunlich nuanciert mit seinem provokanten Sujet um. Weder ‘mutiert’ der Ältere zum Monster, noch wird er kitschig zum Gestrauchelten mit dem goldenen Herzen glorifiziert.
Die Presse war sich einig darüber, dass die restriktive Altersfreigabe völlig ungerechtfertigt ist. Sie feierte Brian Cox einfühlsame Darstellung (in der Rolle des Big John) als Oscar-würdig, den er im prüden ‘Land der gar nicht so unbegrenzten Möglichkeiten’ wohl sicherlich nicht bekommen wird. Auch die jugendlichen Mitstreiter sind glänzend besetzt und tragen mit dazu bei, dass das subtile Coming-of-Age Drama rundum überzeugend wirkt und nachhaltig beeindruckt. Ein mutiges Werk, mit enorm visuellem Gespür fotografiert und in Szene gesetzt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen